Vom Wesen der Dinge

Objekt-Comedy "Sachen suchen" mit Lothar Lempp in Wachenheim

(Rheinpfalz 29.9.2003)

Lothar Lempp klettert zuerst mal im seinen Koffer hinein und klappt ihn zu. Weil er das Mikrofon mitgenommen hat, kann er uns als "Hörspiel" berichten, was er da erlebt. Er öffnet unsichtbar einen Reißverschluss, erlebt seine Geburt neu und landet in einem für uns unsichtbaren, unbekannten Land, geht Dünen hoch, sieht das blaue Meer am weißen Strand, wir hören die Wellen rauschen und die Möwen schreien, Lempp taucht ins Wasser und kommt irgendwann in die Realität, das heißt aus dem Koffer, zurück.

Zu erleben am Freitag beim wunderbar absurden Comedy-Gastspiel "Sachen suchen" im Wachenheimer Cafe Kulturey.

Danach findet Lempp den Reißnagel, den er gesucht hat, "das sollte eine Reißnagelmeditation sein". Von der Decke pendelt eine Glühbirne, die er in Schwingungen versetzt, dazu ein paar Geräusche aus dem "E-Schrubber", der mit nur einer Saite bespannt ist und mit Hilfe teilweise selbstgebastelter und ausgetüftelter Elektronik beachtliche Sounds erzeugt, die fast ein bisschen nach Hendrix klingen

Danach ein Haiku, ein meditatives Kurzgedicht, "Ruck zuck zu Ende - man kann jahrelang darüber meditieren". Dann kommt ein Gast, Herr Schuber: Ein Kunstwesen mit Schubladen vor dem Gesicht. Es bindet sich eine Krawatte vor, kramt in den Schubladen, die Mund, Nase, Augen und Taschen darstellen, ein Wecker klingelt, es schneidet sich die Haare

Unter japanischen Urlauten begeht der Künstler Harakiri mit der Wasser-Plastikflasche, bevor er rituelle Gegenstände des 21. Jahrhunderts untersucht: Den Telefonhörer etwa, in dem ein Räucherkerzchen entzündet ist und den er an der Spiralschnur wie ein Weibrauchgefäß hin und herschwingt. Permanent ist Lempp am tüfteln, zeigt seine Kunstwerke, die noch bis 16. November in der Kulturey besichtigt werden können, einen "Armreif für Widerstandskämpfer" oder "Kondensatorketten", elektronische Bauteile als Kunstobjekte.

Nach der Pause kehrt er als weißes Monster zurück. Seine Nase ist ein Glühlampensockel, in den er ein Glühbirne einschraubt, seine Augen sind Steckdosen, irgendwann findet er das richtige Kabel und den richtigen Stecker und zieht die Schnur, die Nase leuchtet. Bei seinem "spirituellen Abend", wolle er "alltäglichen Dinge einbeziehen", sagt er. An der Decke zum Beispiel hängt eine Gießkanne, die er mit ganz wenig Wasser füllt und so kippt; dass magische Tropfen wie ein "Kirchengeläut im Blecheimer klingen.

"Das Pferd frisst keinen Gurkensalat", diesen Testsatz von Erfinder Philipp Reiss hat er dem "Telefontier" gewidmet, eine dicke Nase, die einer Wählscheibe endet, die Telefongabel als Geweih, es frisst eine Seite aus dem Telefonbuch und kann dann anrufen. Da wundert es uns auch nicht, dass Lempp auch ein Musical für ein Union Brikett geschrieben hatte. "Es sollte Briketts heißen, aber dummerweise habe ich das Manuskript in der Londoner U-Bahn liegen lassen, und dann machte jemand Cats draus ..."

Seine Oper vom König, der an Verstopfung litt, wird bis ins Absurde überdehnt, "0 Rohr voll Schmutz und Haaren, wer hat Dich so verstopft." Den Chor aus 30 Putzfrauen als Cheerleaders müssen wir uns vorstellen. Dann bringt ein stummer Narr ein Geburtstagsständchen mit vier Wäscheklammern und zwei elektronischen Glückwunschkarten, und wir wissen am Ende des Abends, dass unsere Welt aus viel mehr absurden Dingen besteht, als wir je gesucht hätten.

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